6
Querschläger
»Du meine Güte!«, entfährt es Teddy.
Was er als Nächstes sagt, ist mir sehr wichtig. Was denkt er wirklich, während er auf seine à la Miss Piggy dahingegossene Frau in ihren Dessous starrt? Als ich verstohlen an mir herunterblicke, nehme ich erfreut die üppige Rundung meiner Hüften und die geschwungenen Konturen meines Körpers zur Kenntnis, von den Schultern über die Waden bis zu den Zehen. Als ich wieder zu Teddy blicke, sehe ich, dass sein Mund aufsteht wie der Eingang zu einer kleinen Höhle und dass seine Augen so groß und befremdet blicken wie die von Eleanor. Er könnte Eleanor sein, die einen heruntergefallenen roten Lappen anstarrt.
Ich hoffe, das ist nicht der Fall.
»Die Yankees spielen gerade«, äußere ich verheißungsvoll, denn plötzlich fühle ich mich zuversichtlich und selbstsicher, obwohl der Tanga immer noch zwickt. Egal, ob ich nun wirklich scharf aussehe oder nicht, diese Dessous erfüllen ihren Zweck. Ich habe die Situation unter Kontrolle. Teddy hat noch nicht einmal zum Bildschirm gesehen.
»Erinnerst du dich, wie du sie mir gekauft hast? Zu unserem ersten Hochzeitstag?« Ich fahre mit der Hand über einen der spitzenbesetzten Bügel.
»Du meine Güte«, sagt Teddy erneut.
Ich erhebe mich und gehe genau wie Chelsea Hannigan in der Zahnarztpraxis auf ihn zu. Ich fühle mich noch erotischer als Chelsea Hannigan. Da kommen mehr Kurven auf Teddy zu als bei Chelsea und Inga zusammen. Chelsea ist eine kantige Gummipuppe, Inga ist dürr. Ich dagegen bin ganz Rundung und Üppigkeit. Und das ist gut. Ich sehe es daran, wie Teddys Schlüssel zu Boden fallen, daran, wie schlaff seine geöffneten Hände herabbaumeln.
»Die Yankees spielen«, sage ich noch einmal.
»Gegen wen denn?«, fragt er leicht verängstigt.
Verdammt. Ich habe ganz vergessen, dass diese Mannschaften nicht nur einfach auf dem Spielfeld herumstehen und nach den eigenen Mitspielern spucken. »Warum setzt du dich nicht und siehst selber?«, gurre ich, greife vorsichtig nach seiner Hand und ziehe ihn sanft Richtung Sofa.
Er folgt brav, und ich schiebe eines der malvenfarbenen Sofakissen zur Seite, um Platz zu schaffen. Ich spüre Teddys Blick auf meinem Allerwertesten, als ich mich vorbeuge, um alles zu ordnen. Ich weiß nicht, warum ich mir dabei wie eine Schlampe vorkomme. Dieser Mann ist schließlich mit mir verheiratet. Theoretisch kennt er jeden Zentimeter meines Körpers. Den ich allerdings zuvor nie in einen Stringtanga gezwängt habe. Was so ein Höschen doch ausmacht. Allmählich schwant mir, warum so viele Frauen das Leid auf sich nehmen und diese Dinger überall tragen – im Supermarkt genau wie beim Sport oder einem Augenarzttermin. Man weiß schließlich nie, wann sich die Gelegenheit bietet, alles andere auszuziehen, und es ist gut, vorbereitet zu sein.
Ich richte mich wieder auf und drücke Teddy sanft aufs Sofa. Sein Blick ist verschwommen, und inzwischen wette ich, dass das an mir liegt und nicht an den Yankees. »Gefällt dir mein Outfit?«, frage ich schüchtern.
»Herrje, Roseanna«, sagt er.
»Du kannst mich doch Rosie nennen«, erwidere ich und lasse mich neben ihn gleiten. »Schließlich bin ich deine Frau.«
Teddy springt auf und vergräbt die Hände in den Taschen seiner zweihundert Dollar teuren Jeans. Ich hätte nicht erwähnen sollen, dass wir verheiratet sind. Er schwitzt leicht. Er sieht aus, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Weil er meine beste Freundin mit seiner Frau betrügt. Aus meiner zurückgelehnten Position strecke ich die Hand aus und streiche langsam über sein Hosenbein. »Schscht«, sage ich. »Ist ja gut, Teddy. Du bist wieder zu Hause. Entspann dich. Was sollte falsch daran sein, wieder zu Hause zu sein?«
Es kommt mir vor, als überzeuge mein Dekolleté ihn mehr als meine Worte. Sein Blick scheint daran festzukleben. Möglich, dass er mich gar nicht gehört hat. Doch er setzt sich wieder, den Blick fest auf meine Brüste gerichtet. Er seufzt wie ein Gefangener, dem Handschellen angelegt werden. Seht her, ihr armseligen Körbchengröße-A-Trägerinnen, geht es mir durch den Kopf, und ich bin stolz darauf, dass Teddy auf einhundert Prozent Fleisch starrt, kein Silikon, kein Implantat. Vielleicht sogar einhundertfünfzig Prozent Fleisch, wenn man danach geht, wie er die Augen aufreißt. Seht her, ihr dürren Ingas dieser Welt.
Männer sind ja so einfach gestrickt. Füttere sie. Pass auf sie auf. Kaum sehen sie einen tiefen Ausschnitt, schon dackeln sie einem hinterher wie Pfadfinder. Ich durchforste mein Gedächtnis auf der Suche nach demjenigen dieser Punkte, den ich vernachlässigt habe. Welcher Mangel hat Teddy zum Gehen veranlasst?
Aber das ist jetzt nicht wichtig. Er steht ja ganz unter meinem Bann. Dem Bann der roten Dessous. Ich gehe zum Angriff über, schwinge mich auf seinen Schoß, suche seinen Mund und küsse ihn entschlossen. Er weicht nicht zurück. Ich drücke meinen Busen an seine Brust, schiebe meine Zunge in seinen Mund und ziehe ihm gleichzeitig (und etwas grob) das Hemd aus.
»Rosie«, keucht er. »Rosie. Ich habe doch eine Beziehung.«
»Allerdings«, hauche ich ihm ins Ohr. »Und die nennt sich Ehe.«
»Nein, eine andere Beziehung«, sagt er und versteift sich.
»Man hat keine anderen Beziehungen, wenn man verheiratet ist«, widerspreche ich ihm und ziehe an seinem Gürtel.
»Und was soll falsch daran sein, mit seiner eigenen Frau zu schlafen?«
»Also gut«, sagt er und entspannt sich ein bisschen, »wenn es dir so viel bedeutet, Rosie.«
»Das tut es«, versichere ich ihm. »Und ob.«
Nie zuvor haben wir es mit einer johlenden Menge im Hintergrund gemacht. Doch es scheint, als würde parallel zu unseren Aktivitäten ein Double Play der Yankees stattfinden. Das Resultat ist surreal, aber großartig. Es ist wie in den alten Zeiten mit Teddy. Einmal mehr werde ich von seinen Berührungen und seinem Geruch eingehüllt, von seinem Atem und dem Kratzen seiner Bartstoppeln. Es ist wunderbar. Nur ein bisschen kurz. Zu kurz, um genau zu sein.
Viel zu kurz. Schon ist Teddy wieder auf den Beinen, zieht die Designerjeans hoch und knöpft sie auf dem Weg ins Badezimmer zu. Er bleibt lange dort drin. Lange genug, damit ich mir in meinem zwickenden String und dem aufgehakten BH blöd vorkomme. Schweren Herzens erhebe ich mich von dem malvenfarbenen Sofa. Im Schlafzimmer schlüpfe ich in einen Bademantel. Ich höre, wie im Bad der Wasserhahn aufgedreht wird. Ich stehe draußen vor der Tür und horche auf das Plätschern des Wassers, und ich merke, wie die Emotionen in mir ebenfalls wie Dampf aufsteigen. Er ist viel zu schnell aufgestanden. Und jetzt versteckt er sich im Bad, um alle Spuren von mir abzuwaschen.
Unfreiwillig kommen mir wieder diese dummen Tränen. Ich wische sie fort, atme tief durch und gehe zurück zum Sofa. Als Teddy endlich wieder aus dem Bad auftaucht, ist er makellos zurechtgemacht. Das Haar gekämmt. Die Hände wieder in den Taschen seiner Jeans. »Setz dich doch noch ein bisschen«, sage ich und versuche, nicht zu flehend zu klingen. Doch Teddy schüttelt nur entschlossen den Kopf.
»Ich denke, es ist besser, wenn ich ein andermal wegen des Fernsehers komme«, sagt er. »Und dann würde ich auch gern meinen lederbezogenen Schreibtischstuhl mitnehmen.«
»Können wir denn nicht noch einmal darüber reden, Teddy?«
Seine Züge werden ein bisschen weicher, dann sieht er weg. »Ich hab’s dir doch schon gesagt, Roseanna. Ich kaufe mir mit Inga ein Haus.« Seine Stimme wird freundlicher, vielleicht, weil er sieht, was für eine Wirkung seine Worte auf mich haben. »Ich habe es dir gesagt«, wiederholt er. »Und es hat sich nichts geändert.«
»Es hat sich nichts geändert?« Ich ziehe den Bademantel fester um mich und spüre, wie er an dem roten Spitzen-BH hängen bleibt. »Hast du nicht gerade mit mir geschlafen?«
Schuldbewusst weicht er meinem Blick aus. »Du schienst es nicht anders zu wollen.«
Ein Schlag ins Gesicht könnte nicht schlimmer sein. »Also hast du mir einen Gefallen getan?«, frage ich.
Die Menge im Stadion dreht wieder durch. Ein gutes Timing, bei all diesem Breitbildlärm loszuflennen.
Teddy macht ein paar Schritte auf mich zu, zieht sich dann aber wieder zurück. »Sieh mal, Roseanna, es tut mir ja auch leid, aber ich kann es nun mal nicht ändern. Ich liebe sie.« Er seufzt, als mir das Herz bricht. »Es konnte doch nichts schaden, dir etwas zu geben, das du unbedingt wolltest …«
»… bevor du endgültig gehst.«
Teddy seufzt. »Vermutlich, ja.«
Mit gerötetem Gesicht und verquollenen Augen sehe ich zu ihm auf. »Na, dann tausend Dank. Hoffentlich hat es dir nicht zu viele Umstände gemacht.«
»Überhaupt nicht«, sagt er, ganz wie der letzte unsensible Potz.
Da haben wir es wieder, denke ich. Meine Mutter hat recht, wie üblich.